2.2 Computerspieler und ihre Vertreter
Auch nach der Entscheidung der damaligen BPjS zum Computerspiel „Counter-Strike“ im Jahre 2002, herrscht in Deutschland nach wie vor eine Diskussion über das Thema Computerspiele und vor allem über die mögliche Jugendgefährdung durch einige dieser Spiele. Die Aktualität und Brisanz dieser Diskussion wurde wieder einmal deutlich, nachdem der 18-jährige Sebastian Bosse am 20. November 2006 an seiner ehemaligen Schule in Emsdetten scheinbar wahllos auf mehrere Personen schoss und anschließend Suizid beging. Außer dem Täter wurde dabei niemand getötet, allerdings wurden etliche Personen verletzt, einige davon schwer (vgl. Süddeutsche Zeitung 2006). Auch hier wurde die Gewalttat unter anderem mit dem Ego-Shooter „Counter-Strike“ in Verbindung gebracht, welchen der Täter gespielt haben soll. Die anschließende Diskussion hat dabei mit Stimmen aus der Presse und der Politik, sowie im Internet, scheinbar erneut einen Höhepunkt erreicht. Computerspiele werden dabei von verschieden Seiten einer moralischen Bewertung unterzogen.
Wie am zuvor beschriebenen Fall Counter-Strike deutlich wurde, beziehen auch viele Nutzer von Computerspielen Stellung zum Thema. So geschehen in Form von Protesten wie z.B. Online-Petitionen, E-Mails oder auch durch die gewählten Stellvertreter. Vor allem im Internet nutzen viele Spieler die Möglichkeit über derartige Themen, teilweise sehr energisch, zu diskutieren oder einfach ihre Meinung kund zu tun. Warum dabei gerade das Internet als bevorzugtes Medium von den Spielern heran gezogen wird, könnte mehrere Gründe haben. Zum Einen stellt der PC in der Regel eine Grundvoraussetzung dar, ins Internet zu gelangen, worüber etliche Spieler somit bereits verfügen. Ebenso kann heute davon ausgegangen werden, dass einige dieser Spieler über einen eigenen Internetzugang verfügen, womit das Internet für diese Spieler eine sehr einfache Methode darstellt, um ihre Meinung zu äußern. Möglicherweise spielt auch die teilweise noch vorurteilbelastete Außenseiterstellung der Computerspieler in der Gesellschaft eine Rolle, sich eher im relativ anonymen Umfeld des Internets zu äußern. Andererseits stellt es für viele Spieler vielleicht auch die einzige Möglichkeit dar, sich überhaupt vor Menschen außerhalb des eigenen Bekanntenkreises zu diesem Thema zu äußern. Da ein Großteil dieser Äußerungen nur auf den Internetseiten der Spielerszene veröffentlicht wird, kann hierbei natürlich nicht von einer Verbreitung in der breiten Öffentlichkeit gesprochen werden, wie dies bspw. bei bestimmten Sendungen und Artikeln in den klassischen Massenmedien der Fall ist. Vielleicht ist die, in den Massenmedien überwiegend negative Darstellung von Computerspielen, in Verbindung mit diesen Gewalttaten, mit ein Grund dafür, warum sich in verschiedenen Umfragen nach den Ereignissen in Emsdetten, die Mehrheit der deutschen Bevölkerung für ein Verbot von so genannten „Killerspielen“ ausgesprochen hat. So stimmten in einer repräsentativen Forsa Umfrage unter der deutschen Bevölkerung, am 23. und 24. November 2006, 72% der Befragten der Aussage zu, dass „Killerspiele, wie sie auch der Amokläufer von Emsdetten nutzte“ (Stern 2006), Mitschuld an der Gewalt in Schulen tragen würden. 59% sprachen sich dabei für ein Verbot von „Killerspielen“ aus (vgl. Stern 2006). In einer repräsentativen Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen, welche zwischen dem 21. bis 23. November 2006 unter der wahlberechtigten Bevölkerung Deutschlands stattfand, gaben sogar 71% an, dass „Gewaltverherrlichung in Computerspielen“ (Welt Online 2006) verboten werden sollte (vgl. Welt Online 2006). Auch in einer repräsentativen Allensbacher Umfrage unter der deutschen Bevölkerung ab 16 Jahre, vom 1. bis 12. Dezember 2006, sprachen sich 65% der Befragten für ein Verbot von „Gewaltdarstellungen im Fernsehen und in Videospielen“ (Allensbach 2007, S. 2) aus (s. Abbildung 5). (vgl. Allensbach 2007)
Abbildung 5: Umfrage zu einem Verbot von Gewaltdarstellungen im Fernsehen und in Videospielen (Allensbach 2007, S. 3)
Die Reaktionen der Computerspieler im Fall Counter-Strike aus dem vorigen Kapitel, haben bereits Hinweise auf bestimmte Spielermeinungen in Bezug auf Computerspiele gegeben. Die vorliegende Arbeit möchte an diesem Punkt ansetzen und in einer näheren Betrachtung die Fragen klären: Äußern sich Computerspieler überhaupt moralisch über Computerspiele und falls ja, wie begründen sie ihre Aussagen? Findet dabei eine ethische Reflexion unter den Spielern statt? Des Weiteren ergibt sich daraus, auch im Hinblick auf die bisher beschriebenen Szenarien, die Frage, wer denn überhaupt stellvertretend für Computerspieler in der Öffentlichkeit sprechen kann bzw. wer die Interessen der Computerspieler nach außen trägt. Diesen Fragen wird in Kap. 3 mit Hilfe einer qualitativen empirischen Untersuchung nachgegangen. Zuvor sollen aber noch einige Begrifflichkeiten geklärt werden und die Rahmenbedingungen, welche in Deutschland zurzeit vorherrschen, aufgezeigt werden.
weiterlesen: 2.3 Definitionen und Ausgangslage
2007 von Oliver Klopfertop
Computerspiele im moralischen Urteil ihrer NutzerHomeImpressumKontakt
Vorwort Kurzfassung Inhalt Abbildungen Abkürzungen 1 Einleitung 2 Computerspiele und ihre Nutzer 3 Empirische Untersuchung 4 Zusammenfassung 5 Fazit und Ausblick Anhang A: Counter-Strike Anhang B: BPJS Entscheidung Quellenverzeichnis Danksagung