2.1 Beispiel Counter-Strike
Da im Folgenden an manchen Stellen direkt auf Inhalte des Spiels Bezug genommen wird, soll kurz erläutert werden, worum es sich bei dem Computerspiel „Counter-Strike“ (CS) genau handelt: Seit der Veröffentlichung einer ersten Version im Juni 1999 hat sich in der weiteren Entwicklung des Spiels der grundlegende Spielinhalt nicht geändert. Das Spiel wurde als reines Netzwerkspiel veröffentlicht, d. h. es konnte nur mit anderen Spielern zusammen gespielt werden, was auch heute noch besonders bevorzugt wird, auch wenn es mittlerweile ebenfalls gegen den Computer gespielt werden kann.
Das Spiel wird aus der Ego-Perspektive gespielt und reiht sich in die Kategorie „Actionspiele“ ein. Näheres zu dieser Spielart findet sich im Kap. 2.3. In dem Spiel treten zwei Teams gegeneinander an (Antiterror-Einheit/Terroristen), zwischen denen der Spieler wählen kann. Je nach geladener Spielumgebung gilt es ein bestimmtes Ziel zu erfüllen (z.B. eine Bombe zu platzieren oder Geiseln zu befreien) bzw. die gegnerische Mannschaft an der Erreichung dieses Ziels zu hindern. Dabei stehen verschiedenste Waffengattungen, welche realen Waffen nachempfunden wurden, sowie Ausrüstungsgegenstände zur Verfügung. Für erfolgreiche Zielerfüllung und eliminierte Gegner gibt es sowohl Spielpunkte als auch Geld, womit weitere Ausrüstung erworben werden kann. Das Abschießen von Teammitgliedern oder Geiseln wird dagegen in der Regel mit Punkte- und Geldabzug bestraft. Die grafische und akustische Darstellung des Spiels orientiert sich dabei an der Realität.
Im Gegensatz zu einigen anderen Spielen, bei denen bspw. jeder gegen jeden spielt, kann dieses Spiel ausschließlich in zwei unterschiedlichen Teams gespielt werden. Um gegen die gegnerische Mannschaft zu gewinnen ist es häufig sehr wichtig, taktisch vorzugehen und im Team zusammen zu arbeiten. Eine ausführlichere Beschreibung des Spiels findet sich in Anhang A.
Nach der Gewalttat in Erfurt wurde in verschiedenen Medienberichten behauptet, Robert Steinhäuser sei ein Fan des Spiels „Counter-Strike“ gewesen und wäre möglicherweise dadurch zu seiner Tat animiert worden (vgl. Schirrmacher 2002, S. 21). Die Ergebnisse der Kommission Gutenberg-Gymnasium haben jedoch ergeben, dass Robert Steinhäuser zwar teils ähnliche Computerspiele gespielt hat, „Counter-Strike“ sei nach verschiedenen Angaben jedoch nicht darunter gewesen (vgl. Gasser et al. 2004, S 338). Zur selben Zeit lief bereits eine Untersuchung zur möglichen Indizierung von „Counter-Strike“ (englische Originalversion) bei der damaligen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS, heute Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien – BPjM), um das Spiel auf seine mögliche Jugendgefährdung hin zu überprüfen. Der Antrag wurde jedoch schon vor der Gewalttat in Erfurt gestellt. Die Ereignisse in Erfurt erzeugten allerdings plötzlich ein hohes Medieninteresse an der Entscheidung zum Indizierungsantrag bzgl. „Counter-Strike“, auch von Seiten der Politik wurde das Verfahren mit hohem Interesse verfolgt.
Zur Erklärung soll kurz erläutert werden, wie ein entsprechender Indizierungsantrag generell gehandhabt wird: Zunächst ist hervorzuheben, dass die BPjM nicht eigenmächtig ein Prüfverfahren einleiten kann. Die Prüfstelle darf lediglich auf Antrag oder Anregung ein entsprechendes Verfahren einleiten. Anträge, die eine Untersuchung zur Folge haben müssen, können von rund 800 Stellen in Deutschland an die BPjM gerichtet werden. Dazu gehören unter anderem die Jugendämter, Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Eine Anregung, welche nicht zwingend ein Prüfverfahren zur Folge hat, kann von allen Behörden und anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe eingereicht werden, davon gibt es mehrere hunderttausend Stellen. Sonstige (Privat)Personen können keinen direkten Antrag oder eine Anregung an die BPjM richten, jeder hat aber die Möglichkeit sich bspw. an ein Jugendamt zu wenden woraufhin diese evt. einen Antrag für ein Prüfverfahren stellen können (vgl. BPjM 2007a). Dabei ist noch anzumerken, dass zum damaligen Zeitpunkt die BPjS nur auf Antrag tätig wurde, die Möglichkeit zur Anregung wurde erst später eingeführt.
Das Prüfverfahren selbst findet folgendermaßen statt: in der Regel wird das entsprechende Medium einem 12er-Gremium vorgelegt. Dieses besteht aus dem Vorsitzenden, drei Länderbeisitzern und acht Gruppenbeisitzern aus verschiedenen öffentlichen Kreisen, wobei ein Teil aus dem Bereich der Medienerzeuger und Anbieter und der andere Teil aus den Bereichen Jugendhilfe, Lehrerschaft und Kirche kommt. Die Gruppenbeisitzer werden von ihren Verbänden und dem BMFSFJ vorgeschlagen, die Länderbeisitzer werden dagegen von den Landesregierungen ernannt. Die Beisitzerämter sind ehrenamtlich. Eine Indizierung des entsprechenden Mediums findet statt, wenn zwei Drittel des Gremiums dies befürworten. Dabei muss eine mögliche Jugendgefährdung festgestellt worden sein. Während des Verfahrens haben die Verfahrensbeteiligten in einer Anhörung die Möglichkeit sich zu äußern. Des Weiteren kann der Vorsitzende weiteren Personen die Teilnahme gestatten. Nach der Anhörung zieht sich das Gremium zu einer Beratung zurück und verkündet schließlich seine Entscheidung (vgl. BPjM 2007b). Wird das Medium indiziert, hat dies weit reichende Abgabe-, Präsentations-, Verbreitungs- und Werbebeschränkungen zur Folge. So dürfen indizierte Medien Kindern und Jugendlichen weder angeboten, überlassen, noch zugänglich gemacht werden. Im Handel dürfen entsprechende Medien somit nur in Räumen angeboten werden, die ausschließlich für Erwachsene zugänglich sind, bzw. dürfen nur „unter dem Ladentisch“ verkauft werden. Außerdem dürfen entsprechende Medien bspw. nicht am Kiosk angeboten werden oder im frei zugänglichen Versandhandel verkauft werden. Zudem dürfen indizierte Medien in der Öffentlichkeit nicht mehr beworben werden. (vgl. BPjM 2007c)
Im Fall Counter-Strike wurde erstmals vom generellen Verfahren leicht abgewichen und es wurden zusätzlich zwei Counter-Strike-Spieler zur Anhörung eingeladen. Da „Counter-Strike“ als eines der beliebtesten Online-Spiele eine sehr große Fangemeinde besitzt, wurde die damalige BPjS, als bekannt wurde das das Spiel auf eine mögliche Jugendgefährdung hin untersucht wird, mit E-Mails, Briefen und Petitionsunterschriften von Computerspielern überhäuft, die sich gegen eine Indizierung des Spiels aussprachen. Da die BPjS in diesem Fall zum ersten Mal mit solch zahlreichen Protesten aus Spielerkreisen konfrontiert wurde und da es sich um das erste reine Netzwerkspiel handelte, das der BPjS vorlag, entschloss man sich zu dem Schritt, ebenfalls zwei Spieler in der Anhörung vorsprechen zu lassen.
Im Folgenden werden Teile aus der anonymisierten schriftlichen Entscheidung der damaligen BPjS zitiert, welche dem Autor freundlicherweise von der BPjM überlassen wurde und für eine Veröffentlichung im Rahmen dieser Arbeit autorisiert wurde. Der komplette Text befindet sich im Anhang B.
In der Entscheidung heißt es, der Antragsteller hatte eine Indizierung des Computerspiels „Counter-Strike“ beantragt, „weil der Inhalt des Computerspiels geeignet sei, Kinder und Jugendliche sozialethisch zu desorientieren.“ (BPjS 2002, S. 2). Dies wird damit begründet, dass Gewalt gegen und das Töten von sehr realistischen, menschlichen Figuren bei der Konfliktlösung im Vordergrund stehe, auch wenn dem Spiel eine taktische Komponente zugesprochen wird. Der Spieler würde dabei gefühlsmäßig sehr intensiv in das Spielgeschehen eingebunden, wobei eine kritische kognitive Reflektion des aggressiven Spielinhalts aufgrund der hohen Beanspruchung nicht möglich sei. Weiter heißt es vom Antragsteller, man müsse im Spiel größtenteils sehr heimtückisch vorgehen und den Gegner regelrecht „meuchlings ermorden“ (BPjS 2002, S. 2). Ebenfalls bedenklich sei es, dass die zur Wahl stehenden Seiten (Antiterror/Terroristen) sich kaum voneinander unterscheiden würden, womit die Grenzen zwischen legal und illegal verwischt oder gar aufgehoben würden.
Nachdem die Vertreiber des Spiels über den Antrag in Kenntnis gesetzt wurden, äußerten sie sich ebenfalls schriftlich dazu. Auch hiervon findet sich eine Zusammenfassung in dem Dokument der BPjS. Dabei wird angeführt, dass Spieler das Spielgeschehen nicht als real wahrnehmen würden und ebenso keine Transformation in die Wirklichkeit stattfinde. Ebenso wurden Teamplay, taktisches Geschick und soziale Kompetenz hervorgehoben. Außerdem würde der Aufbau einer Community mit hunderttausenden Mitgliedern die These der sozialen Unverträglichkeit widerlegen. Des Weiteren sei die Darstellung nicht vergleichbar mit bisher indizierten Spielen. Außerdem würde eine Indizierung zu einer stärkeren Verbreitung des Spiels führen.
Ebenfalls werden von der BPjS die umfangreichen Diskussionen in der Öffentlichkeit und die zahlreichen Reaktionen aus Spielerkreisen angesprochen, welche vor der Entscheidung durch die Ereignisse in Erfurt ausgelöst wurden, was bisher einmalig in der Geschichte der BPjS sei.
Die Hauptargumente, die dabei von Spielern vorgebracht wurden, werden ebenfalls angeführt: Dabei wurde wiederum auf die taktische Zielvorgabe hingewiesen, zudem sei es möglich in dem Spiel zu gewinnen, ohne das ein Schuss fällt. Hierzu sei kurz angemerkt, dass dies theoretisch ohne Probleme möglich ist, in der Praxis jedoch so gut wie nie vorkommt. Die BPjS weist später darauf hin, dass dem Gremium dies entsprechend bewusst sei. Weiter heißt es in den Argumenten der Spieler: Figuren die Zivilisten ähneln treten im Spiel höchstens als Geiseln auf, dabei wird auch die Bestrafung des Spielers erwähnt, wenn diese eliminiert werden. Ebenso wird darauf hingewiesen, dass das Spiel, im Gegensatz zu manch anderen Spielen, auf überzogene Gewaltdarstellungen verzichte, wie z.B. auf das Abschießen von Körperteilen.
Ebenfalls wäre den E-Mails der Spieler vielfach zu entnehmen, „dass sich die Spieler als Computerspieler verunglimpft und diskriminiert fühlen, da Computerspieler gleichgesetzt würden mit potentiellen Massenmördern.“ (BPjS 2002, S. 3).
Später wird in dem Dokument der BPjS allerdings betont, dass die Entscheidung des Gremiums nicht aufgrund der zahlreichen Zuschriften getroffen wurde, auch wenn die Argumente berücksichtigt wurden. „Das Zwölfergremium der Bundesprüfstelle entscheidet in jedem Einzelfall sorgfältig über den Inhalt eines Spieles. Es wägt in einem deutlichen Entscheidungsprozess zwischen möglicher Jugendbeeinträchtigung und möglicher Jugendgefährdung ab (Hinweis)Für eine Definition der Begriffe „jugendbeeinträchtigend“ und „jugendgefährdend“ vgl. BPjM 2007d. Eine Indizierung findet nur bei vorliegender Jugendgefährdung statt.

. Davon ist es unabhängig, ob für oder gegen eine Indizierung mehr oder weniger Zuschriften eingehen.“ (BPjS 2002, S. 12).
Dass sich die BPjS dazu entschlossen hatte, ebenfalls zwei Counter-Strike-Spieler anzuhören, wird in der Entscheidung folgendermaßen begründet: Im Gegensatz zu den bisherig indizierten Spielen aus diesem Genre, eröffne „Counter-Strike“ durch das gemeinsame Spiel die Möglichkeit zur Kommunikation, was entsprechend auf die Wahrnehmung und die Wirkung des Gespielten Einfluss nehmen könne. „Hieraus ergibt sich ein neuer, für die Richtung der Gremium-Entscheidung wesentlicher Sachverhalt, der nur über die Befragung von Spielern zu ermitteln war.“ (BPjS 2002, S. 4). Die beiden 24-jährigen Spieler Rami „Raal“ Allouni und Sven „Moquai“ Spilker (s. Abbildung 1), wurden dafür in einem demokratischen Abstimmungsverfahren über das Internet von der „Gemeinschaft der 'Counter Strike'-Anhänger“ (BPjS 2002, S. 3) ausgewählt. Das Abstimmungsverfahren wird in Kap. 3.2.2 ausführlich dargestellt.
Abbildung 1: Die gewählten Spielervertreter Rami Allouni (links) und Sven Spilker (Mitte) (PlanetLAN	2002)
Näheres zum Ablauf der mündlichen Anhörung am 16. Mai 2002 wird im Folgenden einem ausführlichen Erlebnisbericht von Sven Spilker entnommen (vgl. Spilker 2002a). Spilker beschreibt, dass auch am Tag der Anhörung deutlich geworden wäre, wie hoch das Medieninteresse an diesem Fall gewesen sei, da etliche Vertreter der TV-, Radio- und Printmedien anwesend gewesen wären. Dementsprechend hätte es zunächst eine etwa 10-minütige Vorführung des Spiels für die Presse gegeben. Allouni und Spilker hätten dabei das Spielgeschehen, das an einem PC im Sitzungssaal von einer dritten Person vorgeführt wurde, kommentiert, sowie die Fragen der Presse beantwortet (s. Abbildung 2). Danach sei die Presse angewiesen worden den Saal zu verlassen.
Abbildung 2: Pressevorführung des Spiels "Counter-Strike" (PlanetLAN 2002)
Nachdem die Vertreter der Vertreiber des Spiels nun ebenfalls anwesend gewesen wären, hätte deren Anwalt anschließend die Vertagung der Anhörung gefordert. „Nach Meinung des Anwaltes seien die Entscheidungsträger möglicherweise zu sehr durch die verfälschten Presseinformationen und den Druck, welcher über die Öffentlichkeit und Politik auf ihnen liege zu sehr voreingenommen. Des Weiteren hätte er keinen Einblick in die Petitionslisten nehmen können und sei somit nicht ausreichend vorbereitet.“ (Spilker 2002a). Nach kurzer Beratung hätte das Gremium die Vertagung abgelehnt mit der Begründung, es halte sich für absolut unvoreingenommen und die Petitionslisten würden zwar zur Kenntnis genommen, seien aber keine Entscheidungsgrundlage, u. a. weil das Gremium unabhängig entscheiden müsse und sich nicht durch so etwas beeinflussen lassen dürfe.
Anschließend wäre das Spiel für das Gremium vorgeführt worden, wobei Allouni und Spilker wiederum die Vorgänge kommentiert hätten. Zudem hätten die Spielervertreter dabei bereits einige Argumente vorgebracht, die aus ihrer Sicht gegen eine Indizierung sprachen. So hätten sie z.B. angeführt, dass es in „Counter-Strike“ keine Identifikationsfigur gäbe, sowie, dass die Spieler auch während dem Spiel sozial verbindliche Gespräche führen würden und dass eine Spielrunde gewonnen werden könne, ohne einen Schuss abzugeben.
Abbildung 3: Sitzungssaal der Bundesprüfstelle (PlanetLAN 2002)
Laut Spilker hätte die Vorführung etwa 20-30 Minuten gedauert. Danach sei vorgeschlagen worden, die Spielervertreter frei sprechen zu lassen. Dies sei allerdings von der Vorsitzenden des Gremiums abgelehnt worden, da dies nicht nötig sei. Ihre Begründung hätte gelautet, man wäre unter Zeitdruck und es würde über die Indizierung eines Spiels und nicht die einer Szene diskutiert werden. Daraufhin habe Allouni versucht zu verdeutlichen, dass es nicht nur um ein Spiel gehe, sondern dass eine ganze Community auf diesem Spiel basiere und somit würde eine Indizierung des Spiels praktisch die Indizierung einer „Jugendbewegung“ bedeuten. Auch dies hätte die Vorsitzende nicht überzeugt, woraufhin der Anwalt der Vertreiber vorgeschlagen hätte seinen Vortrag um 5 Minuten zu kürzen, um diese den Spielern zur Verfügung zu stellen. Anschließend habe der Anwalt mit seinen Ausführungen begonnen, zu diesen wird in Spilkers Bericht allerdings nichts Näheres beschrieben. Danach hätten die Spielervertreter schließlich mit ihrem Vortrag begonnen. Dabei hätten sie über das soziale Miteinander der Spieler und die Konsequenzen, die eine Indizierung in diesem Bereich mit sich bringen würde, referiert. Nach etwa 5 Minuten seien anschließend noch einige Fragen durch die Gremiumsmitglieder an die Spieler gestellt worden. Dabei sei u. a. die Frage aufgekommen, warum ein paar Spieler, die man im Vorfeld persönlich angesprochen hätte, nichts von der angesprochenen Counter-Strike-Community wüssten. Daraufhin hätte Allouni erläutert, dass nicht jeder Spieler aktiv an der Community teilnehmen würde, da es manche schlicht als Freizeitausgleich spielen würden, ähnlich jemandem der in seinem Garten mit einem Fußball spiele und dabei nicht gleich Mitglied im DFB sei.
Nach den Fragen sei die Anhörung beendet gewesen und das Gremium hätte sich für eine Entscheidungsfindung zurückgezogen. Währenddessen habe es vor dem Sitzungssaal weitere Fragen von der Presse an die Spielervertreter gegeben. Erst nach etwa eineinhalb Stunden hätte das Gremium seine Beratungen beendet. Das Gremium hatte sich entschieden „Counter-Strike“ nicht zu indizieren, was anschließend auf einer Pressekonferenz nochmals bekannt gegeben und begründet wurde (s. Abbildung 4).
Abbildung 4: Bekanntgabe der Entscheidung durch Elke Monssen-Engberding (Mitte, Vorsitzende der Bundesprüfstelle) (PlanetLAN 2002)
In einer späteren schriftlichen Pressemitteilung der damaligen BPjS wurde die Entscheidung wie folgt begründet: Nach einer umfassenden Diskussion sei man zu dem Entschluss gekommen, das Computerspiel „Counter-Strike“ nicht in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufzunehmen. Dabei sei festgestellt worden, dass das Spiel sowohl Elemente beinhalte, die für eine Indizierung sprechen würden, als auch solche, die eine Indizierung als nicht vertretbar erscheinen lassen. „In dem Spiel werden in erheblichem Umfang strategische Vorgehensweisen angeboten, als auch die Möglichkeit in der Spielergemeinschaften zu kommunizieren. Allerdings ist es auch wesentlicher Bestandteil des Spiels, virtuelle menschliche Gegner zu töten. Je nach Spielerpersönlichkeit stehen für den Einen eher strategische Gesichtspunkte im Mittelpunkt, für den Anderen eher die vordergründige Action.“ (GameStar 2002a). Dabei würden allerdings Spieler, die in erster Linie kurzfristige aktionale Inhalte und Formen suchen, nicht langfristig an das Spiel gebunden werden. Das Spiel weise allerdings jugendbeeinträchtigende Elemente auf, womit das Spiel nicht in die Hände von Kindern und jüngeren Jugendlichen gehöre. „Dies insbesondere aus dem Grunde, weil Kinder und jüngere Jugendliche, die auf der Suche nach einem differenzierten Norm- und Wertesystem sind, durch die kampforientierte Spielehandlung negativ beeinflusst werden könnten.“ (GameStar 2002a). Andererseits verweise das 12-Gremium deutlich darauf, dass das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften gravierende Rechtsfolgen nach sich zieht, die in diesem Fall zu weit reichend wären. „Denn bei älteren Jugendlichen sollte angenommen werden, dass sie bereits über ein gefestigteres Normen- und Wertesystem verfügen, und sehr wohl zwischen Realität und Spiel differenzieren werden.“ (GameStar 2002a). Des Weiteren verzichte sowohl die grafische als auch die akustische Darstellung des Spiels, im Gegensatz zu anderen indizierten Spielen, weitgehend auf Effekthascherei, daher sei keine verrohende Wirkung gegeben.
Jugendbeeinträchtigende Aspekte würden insbesondere durch die Tatsache auftreten, als dass z.B. jüngeren Jugendlichen der Zutritt zu LAN-PartysAuf LAN-Partys (Local Area Network Partys) sind mehrere Computer über ein lokales Netzwerk miteinander verbunden. Im Vordergrund stehen dabei Computerspiele, die mit- und gegeneinander gespielt werden.

, auf denen dieses Spiel gespielt werde, gewährt würde. Aufgrund der aktuellen gesetzlichen Regelungen könne dies jedoch nicht verhindert werden. Die Freiwillige Selbstkontrolle der Unterhaltungssoftwareindustrie (USK) habe die englische Originalversion des Spiels, bereits vor Einführung auf dem deutschen Markt, als nicht geeignet unter 18 Jahren eingestuft. Aufgrund der momentanen Gesetzeslage sei dies allerdings nur eine Empfehlung ohne gesetzliche Verbindlichkeit. „Wäre eine Alterseinstufung verbindlich, könnte jüngeren Jugendlichen bzw. Kindern der Zutritt verwehrt werden, was dem Spiel auf der Rechtsfolgenseite ausreichend Rechnung tragen würde. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer raschen Novellierung des Jugendschutzgesetzes.“ (GameStar 2002a). Die vollständige, 12-seitige Entscheidung der BPjS findet sich wie bereits erwähnt im Anhang B.
Die damalige BPjS sah hier also einen Mangel in der damals gültigen Gesetzeslage. Obwohl das Spiel jugendbeeinträchtigende Elemente enthalte, vor denen jüngere Jugendliche und Kinder zu schützen seien, würden die Einschränkungen für ältere Spieler im Zuge einer Indizierung zu weit gehen. Dabei ist anzumerken, dass kurz nach den Ereignissen in Erfurt und bereits vor der Entscheidung der BPjS, in der Politik ein Entwurf zur Verschärfung des Jugendschutzgesetzes vorgelegt wurde. Dieser wurde etwas später, bereits nach der Entscheidung der BPjS, verbindlich beschlossen und trat schließlich am 1. April 2003 in Kraft. Darin wurde u. a. vorgeschrieben, dass die Alterseinstufungen der USK nun gesetzlich verbindlich sind. Diese reichen von keiner Altersbeschränkung, in mehreren Stufen bis zu keiner Jugendfreigabe (unter 18 Jahre) Entsprechend muss nun bspw. auch bestimmten Altersgruppen der Zutritt zu LAN-Partys, bei denen Spiele mit höherer Alterseinstufung gespielt werden, verweigert werden. Jedes Computerspiel, welches auf dem deutschen Markt erscheint, muss dabei zunächst einer Prüfung durch die USK unterzogen werden. Spiele die von der USK mit einer Altersvorgabe gekennzeichnet wurden, dürfen von der BPjM nicht mehr indiziert werden. Geht die USK allerdings bei ihrer Prüfung von einer möglichen Jugendgefährdung aus, erhält das Computerspiel keine Kennzeichnung durch die USK. Alle Computerspiele ohne Kennzeichen werden anschließend von der BPjM auf die Notwendigkeit einer Indizierung hin überprüft. Zudem dürfen Computerspiele ohne Kennzeichen der USK nicht an Personen unter 18 Jahren abgegeben werden, auch wenn sie durch die BPjM nicht indiziert werden (Hinweis)Die ausführliche Prüfordnung der USK steht auf deren Webseite als Download bereit. Ebenso können alle bisherigen Einstufungen der USK in deren Prüfdatenbank recherchiert werden.

. Damit können die von der damaligen BPjS angeprangerten gesetzlichen Mängel als behoben betrachtet werden. Dabei ist anzumerken das Deutschland somit „weltweit die verbindlichsten Regeln bei der Prüfung und beim Verkauf von Computerspielen“ (USK 2007) hat.
Es ist noch hervorzuheben, dass laut einem Presseartikel von Heise Online, der Indizierungsantrag zum Computerspiel „Counter-Strike“ bereits ca. 10 Monate vor der endgültigen Entscheidung bei der BPjS vorlag. Aufgrund verschiedener Umstände innerhalb der Behörde sei die Entscheidung allerdings öfters verschoben worden. Eine Sprecherin der damaligen BPjS habe in diesem Zusammenhang angegeben, dass die Indizierung des Spiels intern eigentlich bereits beschlossene Sache gewesen wäre. Die überaus zahlreichen Reaktionen der Spieler hätten allerdings „die Prüfstelle dazu bewogen, den Fall noch einmal neu aufzurollen.“ (Heise 2002).
Der beschriebene Fall zum Computerspiel „Counter-Strike“ kann hierbei als eine Art Fallbeispiel betrachtet werden. Wesentliche Punkte, wie die moralische Beurteilung von Computerspielen durch Spieler, sowie eine organisierte Interessensvertretung von Spielern, sind hier bereits angesprochen worden und sollen in der vorliegenden Arbeit einer näheren Untersuchung unterzogen werden.
weiterlesen: 2.2 Spieler und ihre Vertreter
2007 von Oliver Klopfertop
Computerspiele im moralischen Urteil ihrer NutzerHomeImpressumKontakt
Vorwort Kurzfassung Inhalt Abbildungen Abkürzungen 1 Einleitung 2 Computerspiele und ihre Nutzer 3 Empirische Untersuchung 4 Zusammenfassung 5 Fazit und Ausblick Anhang A: Counter-Strike Anhang B: BPJS Entscheidung Quellenverzeichnis Danksagung