Die Veröffentlichung
des Dokuments im Rahmen dieser Arbeit wurde am 12.12.2007 durch die Bundesprüfstelle
für jugendgefährdende Medien schriftlich autorisiert. Dem Autor
wurde hierfür eine Kopie dieses Dokumentes überlassen, welches im
Folgenden als Ganzes zitiert wird:
Pr. 278/01
Bundesprüfstelle für
jugendgefährdende Schriften
Entscheidung Nr. 5116 vom 16.5.2002
Antragsteller:
Verfahrensbeteiligte:
Bevollmächtigter Rechtsanwalt:
Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende
Schriften
hat in ihrer
517. Sitzung vom 16. Mai 2002
an der teilgenommen haben:
von der Bundesprüfstelle:
Vorsitzende
als Beisitzer der Gruppe:
Kunst
Literatur
Buchhandel
Verleger
Träger der freien Jugendhilfe
Träger der öffentlichen Jugendhilfe
Lehrerschaft
Kirche
Länderbeisitzer:
Bremen
Hamburg
Hessen
Protokollführerin:
Für den Antragsteller:
Für den Verfahrensbeteiligten:
beschlossen:
Das Computerspiel CD-ROM
„Counter Strike“
wird nicht in die Liste der
jugendgefährdenden Schriften eingetragen.
S a c h v e r h a l t
Das Spiel „Counter Strike“ wurde von der Firma ... produziert. In der Bundesrepublik Deutschland wird es vertrieben von ... Der Bundesprüfstelle liegt das Spiel in der englischsprachigen Originalversion vor.
Zur Installation werden folgende Hardwarevoraussetzungen genannt: Windows 95/98 NT 4.0, Pentium 133, 24 MB RAM, SVGA-Grafikkarte, 2x CD-ROM-Laufwerk, 400 MB freier Festplattenspeicher, Windows-kompatible Soundkarte, Maus, Tastatur, LAN- und/oder 32-bit-Internet-Verbindung (mind. 28.8 Modem).
Der Antragsteller beantragt die Indizierung, weil der Inhalt des Computerspiels geeignet sei, Kinder und Jugendliche sozialethisch zu desorientieren. Die mögliche Desorientierung ergebe sich insbesondere aus dem gezielten Töten der Gegner, die sehr realistisch wie Menschen reagieren und sich bewegen. Um die Mission erfolgreich beenden zu können, sei der Spieler gezwungen, mit taktischem Geschick die Konflikte zu lösen. Bei dieser Konfliktlösung stünden Gewalt und Töten im Vordergrund. Durch die sehr realistische Darstellung im Spiel müsse der Spieler seinem Gegner immer einen Schritt voraus sein, um selbst überleben zu können. Hierdurch werde er gefühlsmäßig sehr intensiv in das Spielgeschehen eingebunden. Eine wünschenswerte kritische kognitive Reflektion des aggressiven Spielinhalts erscheine dem Spieler auf Grund einer hohen psycho-physischen Beanspruchung während des Spiels daher nicht möglich.
Gewalt werde in diesem Spiel in großem Stil dargestellt und als vorrangiges Konfliktlösungsmittel propagiert, was sich letztlich auch in der großen Auswahl der Waffen, die dem Spieler zur Verfügung stehen, zeige. Zudem müsse der Spieler, um nicht selbst getötet zu werden, im Großteil der Fälle ausgesprochen heimtückisch vorgehen und die Gegner regelrecht meuchlings ermorden. Äußerst bedenklich sei auch, dass die Wahl der Seite (Antiterror/Terroristen). kaum praktische Auswirkungen auf das Spiel habe, die Grenzen illegal/legal also verwischt bzw. aufgehoben würden.
Die Verfahrensbeteiligte wurde form- und fristgerecht davon benachrichtigt, dass über den Antrag in der Sitzung vom 16.5.2002 entschieden werden soll.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Verfahrensbeteiligten beantragt Ablehnung des Indizierungsantrages bzw. hilfsweise gem. § 2 GjS von der Indizierung abzusehen.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Verfahrensbeteiligten hat einen umfangreichen Schriftsatz eingereicht. Zusammenfassend führt er zur Begründung seines Antrages aus:
- Das Spiel wird von den Nutzern als Comic-Welt erlebt.
- Eine Transformation von Handlungsmustern in die Wirklichkeit finde nicht statt.
- Das Spiel erfordert taktisches Geschick, Teamplay und soziale Kompetenz und nicht „reflexartiges Abschießen“.
- Die Splattereffekte erreichen nicht das „übliche“ Maß dessen, was in vergleichbaren Comic-Filmen oder sonstigen Filmen täglich geboten wird und sei nicht vergleichbar mit Spielen wie „Unreal Tournament“ und „Return to Castle Wolfenstein“.
- Der Aufbau einer Community mit hunderttausenden Mitgliedern widerlege die These der sozialen Unverträglichkeit.
- Eine Indizierung würde zu einer stärkeren Verbreitung des Spiels führen.
Das Spiel „Counter Strike“ hat wie kein anderes je zuvor in der Geschichte der Bundesprüfstelle vor dem Verhandlungstermin zu umfangreichen Diskussionen in der Öffentlichkeit geführt.
Auslöser dieser Diskussionen waren die schrecklichen Ereignisse in Erfurt und die Darstellungen in einem Teil der Presse, dass der Täter von Erfurt „Counter Strike“ gespielt habe, wenngleich auch andere Äußerungen in der Presse zu lesen waren, dass der Täter dieses Spiel nicht besessen habe.
Bei der Bundesprüfstelle sind tausende von E-Mails vor der mündlichen Verhandlung eingegangen, es wurden von Computerzeitschriften Unterschriftenaktionen gestartet, in denen tausende von Spielern sich gegen die Indizierung ausgesprochen haben.
Zusammenfassen lassen sich die Argumente der E-Mails etwa so, wie es in der Zeitschrift PC-Games Ausgabe Juli 2002 dargestellt wird:
- In „Counter Strike“ geht es vorrangig darum, taktische Ziele im Team zu erreichen.
- Matches in „Counter Strike“ sind zu gewinnen, ohne dass ein Schuss fällt.
- Figuren, die z.B. Zivilisten ähneln, treten im Spiel nur in der Rolle von Geiseln auf.
- Schadet ein Geiselnehmer einer Geisel, wird er bestraft und kann sogar disqualifiziert werden.
- In „Counter Strike“ besteht keine Möglichkeit z.B. Gegnern Körperteile abzuschießen. Im Gegenteil zählt „Counter Strike“ zu den Action-Spielen, die auf überzogene Gewaltdarstellung verzichten.“
Vielfach zielten die Diskussionen in den Mails auch darauf ab, dass sich die Spieler als Computerspieler verunglimpft und diskriminiert fühlen, da Computerspieler gleichgesetzt würden mit potentiellen Massenmördern.
Da die Bundesprüfstelle bisher mit einem Computerspiel, das ausschließlich als Netzwerkspiel zu spielen ist, keine Erfahrung gemacht hat, wurden erstmals zwei 24jährige Spieler angehört, die von der Gemeinschaft der „Counter Strike“-Anhänger in einem demokratischen Abstimmungsverfahren über Internet gewählt wurden.
Dieses Novum in der Geschichte der Bundesprüfstelle ist auf das Spielprinzip von „Counter Strike“ zurückzuführen, das in die Kategorie der „First-Person-Shooter“ fällt. Der Spieler kann wahlweise in die Rolle des Terroristen oder in die eines Anti-Terroristen schlüpfen. Er tritt damit einer von zwei Einheiten bei, deren Aufgabenstellungen und Zielsetzungen naturgemäß genau gegengesetzt sind. Es geht zumeist um Geiselnahme versus Geiselbefreiung, um das Zünden versus Entschärfen von Bomben. Den Teams steht eine begrenzte Zeit zur Verfügung (im Mittel vier Minuten), um ihr jeweiliges Ziel zu erreichen. Schlägt dieser Versuch fehl, hat das gegnerische Team gewonnen und das Szenario beginnt erneut. Mit Ausgang einer jeden Runde erhält die erfolgreiche Mannschaft einen Geldbetrag, der von den einzelnen Mitgliedern für die individuelle Aus- und Aufrüstung genutzt werden kann. Gekämpft wird mit „handelsüblichen“ Waffen, unter ihnen Messer, Pistolen, Scharfschützengewehre und Granaten. Auch kugelsichere Westen und Nachtsichtgeräte gehören zum Arsenal. Reaktionsschnelles Schießen und Eliminieren der menschlich anmutenden Gegenspieler ist auf dem Weg zur Zielerreichung unumgänglich und stellt einen wesentlichen Bestandteil des Spieles dar. Die Tötungsinszenierungen sind der Realität entliehen. Getroffene Figuren zucken, taumeln, straucheln zu Boden, wo sie reglos verharren.
Es fließt Blut.
Dennoch unterscheidet sich „Counter Strike“ von den bislang indizierten First-Person-Shootern in einem wesentlichen Punkt. Es ist das erste originäre Multiplayer-Spiel: Das erste Computerspiel, das nicht im Alleingang am heimischen Einzelplatzrechner gespielt werden kann, sondern lediglich im Verbund mehrerer Personen, die in einem Netzwerk oder über Internet zusammenkommen. Gemeinsames Spiel eröffnet die Möglichkeit zu Kommunikation, die ihrerseits entscheidend auf die Wahrnehmung und Wirkung des Gespielten Einfluss nehmen kann. Hieraus ergibt sich ein neuer, für die Richtung der Gremium-Entscheidung wesentlicher Sachverhalt, der nur über die Befragung von Spielern zu ermitteln war.
Die Spielervertreter und entwarfen in ihrem Vortrag das anschauliche Bild einer großen Gemeinschaft jugendlicher und junger erwachsener Spieler, die sich seit ca. Sommer 1999 rund um „Counter Strike“ formiert hat. Eine beständig anwachsende internationale Gemeinschaft, die die anfänglich anonyme Kommunikation übers Internet schnell durch persönliche Treffen bereichert hat, die sich in Clans (Mannschaften aus mehreren Spielern). organisiert und Netzwerkpartys veranstaltet, auf denen es – abseits des Getümmels auf dem Bildschirm – sehr friedlich zugeht. Die organisierten Counter-Striker betrachten das gemeinsame Spiel als Sport (E‑Sport). Für sie stehen der Wettkampf, die Abstimmung von Taktiken und Strategien im eigenen Team im Vordergrund. Blutige Details, wie das Zerfetzen von Gliedmaßen, werden in diesem Zusammenhang eher als störend empfunden, da diese Grafiken sehr viel zusätzliche Prozessorleistung benötigen und das Spiel „ruckeln“ lassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prüfakte sowie den des Computerspiels verwiesen.
G r ü n d e
Das Computerspiel „Counter Strike“ war nicht in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufzunehmen.
Das Zwölfergremium der Bundesprüfstelle hat in den letzten Jahren im wesentlichen dann Computerspiele als jugendgefährdend eingestuft, wenn der Hauptinhalt des Spieles daraus besteht, Menschen oder menschenähnliche Gegner auf unterschiedliche Art und Weise zu töten. Diese Computerspiele sind so gestaltet, dass der Spieler in die Rolle des Tötenden versetzt wird. Ihm werden unterschiedliche Waffen an die Hand gegeben, die ihn in die Lage versetzen, die auftauchenden Gegner auf unterschiedliche Art und Weise zu liquidieren. Der Tod des Gegenübers wird spielimmanent positiv bewertet. Regelmäßig erhält der Spieler für jeden getöteten Gegner Punkte. Oft gelingt es dem Spieler nur dann, in die nächste Spielstufe zu gelangen, wenn er alle Gegner ausgeschaltet hat. Die Spielidee ermöglicht kein nonaggressives Verhalten, z.B. in Form eines Ausweichens, da das Spielersubstitut regelmäßig selbst angegriffen wird. So ist die Ideologie dieser Spiele mit einem Satz zu beschreiben: Töte schneller als die anderen, sonst wirst du selbst getötet. In vielen dieser Computerspiele werden die Tötungsvorgänge detailgetreu präsentiert. Körperteile platzen durch die Geschosseinwirkung auseinander. Die auf diese Art versehrten Personen schreien auf, ehe sie zu Boden stürzen.
Computerspiele wurden in den letzten Jahren regelmäßig dann nicht indiziert, wenn der Hauptinhalt des Spiels eben nicht einzig aus der Aufforderung besteht, Menschen oder menschenähnliche Gegner zu töten, sondern wenn das Computerspiel noch andere wesentliche Elemente enthält.
Das Zwölfergremium hat im Hinblick auf diese Entscheidung umfassend diskutiert. Zunächst wurde festgestellt, dass das Spiel sowohl Elemente hat, aufgrund derer eine Indizierung hätte ausgesprochen werden können, als auch solche Elemente, die eine Indizierung nicht als vertretbar erscheinen lassen.
In dem Spiel werden in erheblichem Umfang sowohl strategische Vorgehensweisen angeboten, als auch die Möglichkeit, in den Spielergemeinschaften zu kommunizieren. Allerdings ist es auch wesentlicher Bestandteil des Spiels, virtuelle menschliche Gegner zu töten. Je nach Spielerpersönlichkeit stehen für den Einen eher strategische Gesichtspunkte im Mittelpunkt, für den Anderen eher die vordergründige Action. Auch hat das Gremium darauf verwiesen, dass diejenigen Spieler, die in erster Linie kurzfristige aktionale Inhalte und Formen suchen, nicht langfristig an dieses Spiel gebunden werden. Das Gremium hat sehr deutlich gemacht, dass dieses Spiel nicht in die Hände von Kindern und jüngeren Jugendlichen und auch Jugendlichen gehört, da es für diese Altersgruppen beeinträchtigende Elemente aufweist. Dies insbesondere aus dem Grunde, weil Kinder und Jugendliche, die auf der Suche nach einem differenzierten Norm- und Wertesystem sind, durch die kampforientierte Spielhandlung negativ beeinflusst werden könnten. Andererseits hat das Zwölfergremium deutlich darauf verwiesen, dass das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften gravierende Rechtsfolgen nach sich zieht, die in diesem Falle zu weitreichend sind.
Denn bei der überwiegenden Anzahl älterer Jugendlicher sollte angenommen werden, dass sie bereits über ein gefestigteres Normen- und Wertesystem verfügen, und sehr wohl zwischen Realität und Spiel differenzieren können.
Das Spiel hat durch die Gesamtkonzeption in Verbindung mit Darstellung und Grafik gegenüber anderen Spielen, die in die Liste aufgenommen wurden, noch keinen solchen Gefährdungsgrad, der eine Indizierung rechtfertigt. Eine verrohende Wirkung ist nicht gegeben, weil die Umsetzung der Actionszenarien weitgehend auf Effekthascherei verzichtet. Auf akustische Animation in Form etwa von Schreien wird vollständig verzichtet. Jugendbeeinträchtigende Aspekte treten insbesondere durch die Tatsache auf, dass jüngeren Jugendlichen z.B. der Zutritt zu LAN-Partys gewährt wird, auf denen dieses Spiel gespielt wird. Möglichkeiten der Ordnungsämter, den Zutritt dieser Altersgruppen zu verhindern, bestehen auf Grund der momentanen Regelungen nicht. Die Freiwillige Selbstkontrolle der Unterhaltungssoftwareindustrie hat die amerikanische Originalversion bereits vor Einführung auf dem deutschen Markt als nicht geeignet unter 18 Jahren eingestuft. Dabei handelt es sich bei der jetzigen Gesetzeslage lediglich um eine Empfehlung ohne jede gesetzliche Verbindlichkeit. Wäre eine Alterseinstufung verbindlich, könnte jüngeren Jugendlichen bzw. Kindern der Zutritt verwehrt werden, was dem Spiel auf der Rechtsfolgenseite ausreichend Rechnung tragen würde. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer raschen Novellierung des Jugendschutzgesetzes.
Der Gesetzgeber hat nach der gegenwärtigen Rechtslage durch das Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit und durch das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften im Hinblick auf Videofilme eindeutig unterschieden, dass es solche gibt, die jugendbeeinträchtigend sind auch für Jugendliche bis zu 18 Jahren. Diese werden gekennzeichnet mit „nicht freigegeben unter 18 Jahren“. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber im Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften der Bundesprüfstelle die Möglichkeit eingeräumt, auch solche Videofilme, die gekennzeichnet sind mit „nicht freigegeben unter 18 Jahren“ zu indizieren, wenn sie die Schwelle zur Jugendgefährdung überschreiten. So wurde dem Zwölfergremium der Bundesprüfstelle in den letzten Jahren eine Vielzahl von Filmen vorgelegt, die gekennzeichnet waren mit „nicht freigegeben unter 18 Jahren“. Ein Teil wurde entweder vom Dreier- oder Zwölfergremium indiziert, weil die Grenze zur Jugendgefährdung eindeutig überschritten war, ein anderer Teil wurde nicht in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufgenommen, weil die Kennzeichnung „nicht freigegeben unter 18 Jahren“ bereits bestimmte Vertriebsbeschränkungen auslöst, die dem Zwölfergremium als ausreichend erschienen sind. Das mit dem GjS verbundene Werbeverbot schien dem Zwölfergremium in diesen Fällen zu gravierend, um es bezüglich solcher Inhalte zu verhängen.
Im Hinblick auf Computerspiele hat diese Möglichkeit bisher nicht bestanden.
Der Bundesprüfstelle wurde in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Computerspielen vorgelegt, die sie nicht indiziert hat, weil der Inhalt eben noch nicht so gestaltet war, dass die Grenze zur Jugendgefährdung eindeutig überschritten war. Das Zwölfergremium hat darauf verwiesen, dass die Indizierungen belastende Verwaltungsakte sind, die erhebliche Verbreitungsbeschränkungen nach sich ziehen, insbesondere das eben bereits erwähnte Werbeverbot in der Öffentlichkeit. So muss dann auch die Jugendgefährdung eindeutig gegeben sein, damit die Indizierung auch der entsprechenden gerichtlichen Überprüfung auf dem Verwaltungsrechtswege Stand halten kann.
Wenngleich auch dem Zwölfergremium in vielen Fällen bei der Nichtindizierung bewusst war, dass eigentlich Vertriebsbeschränkungen in Form eines Abgabeverbots an Minderjährige wünschenswert oder sogar erforderlich gewesen wären, so hat das Zwölfergremium aber auch betont, dass ein solches Abgabeverbot ausreichend wäre, um dem Inhalt bestimmter Computerspiele genüge zu tun.
In diesem Zusammenhang darf natürlich nicht vergessen werden, dass die Computerspiele von der USK, ehe sie auf dem Markt erscheinen, gekennzeichnet werden. Diese Kennzeichen, die in den überwiegenden Fällen mit der Einschätzung des Zwölfergremiums der Bundesprüfstelle übereinstimmen, beruhen auf freiwilliger Basis, d.h. es sind Empfehlungen für Eltern und Händler, die von einem Teil der Händler beachtet werden, von anderen jedoch als das eingestuft werden was sie sind, nämlich Empfehlungen für die Eltern, und die dann auch solche Computerspiele an Kinder und Jugendliche weitergeben, die für ihre Altersgruppe beeinträchtigend sind.
Noch schwieriger ist es für die Ordnungsämter in den Fällen, in denen solche Computerspiele auf sogenannten LAN-Partys dargeboten bzw. gespielt werden. Haben diese Computerspiele die Empfehlung der Freiwilligen Selbstkontrolle „nicht geeignet unter 18 Jahren“, haben die Ordnungsämter keine gesetzliche Möglichkeit, den Zutritt jüngerer Altersgruppen, für die die Altersempfehlung nicht ausgesprochen wurde, zu verhindern. Auch die Eltern haben dann keine Kontrolle über das, was ihre Kinder spielen, denn LAN-Partys finden nicht innerhalb des häuslichen Bereiches statt. Dieses wird durch das Jugendschutzneuregelungsgesetz in Zukunft geregelt. Erhalten Computerspiele z.B. die Einschätzung „keine Jugendfreigabe“ dann wird es den Ordnungsämtern möglich sein, Kindern und Jugendlichen der falschen Altersgruppe den Zutritt zu solchen LAN-Partys zu verweigern, sofern die entsprechenden Spiele dort zur Verfügung stehen.
Basierend auf der Erkenntnis, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf Filme und zukünftig auch im Hinblick auf Computerspiele zwischen jugendbeeinträchtigend und jugendgefährdend deutlich unterscheidet bzw. unterscheiden will, hat das Zwölfergremium der Bundesprüfstelle diese Entscheidung sehr gründlich abgewogen.
In der Medienberichterstattung zu den tragischen Ereignissen in Erfurt wurde das Computerspiel „Counter Strike“ vielfach als unmittelbarer Auslöser für den Amoklauf des Schülers dargestellt. Viele dieser Berichte waren aus verständlichen Gründen sehr emotional gehalten. Die Darstellung des Spielinhaltes von „Counter Strike“ erfolgte in diesem Zusammenhang häufig einseitig und zum Teil auch nicht immer zutreffend. Die Mitglieder des Zwölfergremiums haben diese Berichterstattung im Bewusstsein der anstehenden Entscheidung sehr aufmerksam verfolgt. Ein großer und wesentlicher Teil der Öffentlichkeit hatte sich seine Meinung bereits gebildet. Alles dieses hat die Entscheidung gegen eine Indizierung von „Counter Strike“ nicht einfacher gemacht.
Das Zwölfergremium hat aber sehr wohl alle Meinungen in seine Entscheidung mit einfließen lassen.
So hat das Zwölfergremium der Bundesprüfstelle in den letzten Jahren stets solche Spiele indiziert, die dazu auffordern, Menschen oder menschenähnliche Wesen zu vernichten und die gleichzeitig einen Spielspaß dahingehend vermitteln, dass eine solche Aufforderung zur Vernichtung „Freude“ bereiten kann. Dies erfolgte stets mit folgender Begründung:
Es ist darauf hinzuweisen, dass das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften ähnlich wie die Vorschriften der §§ 131 und 184 StGB von einer sogenannten Wirkungsvermutung ausgehen. Gesetzgeberisches Motiv des § 184 StGB war z.B. die Erwägung, dass angesichts des Fehlens wissenschaftlich gesicherter Erkenntnisse über die Möglichkeit schädlicher Auswirkungen der Pornographie die Freiheit des erwachsenen Bürgers, selbst zu bestimmen, was er lesen will, so lange den Vorrang hat, als die Ermöglichung dieser Selbstbestimmung nicht ernst zu nehmende Gefahren für andere Rechtsgüter schafft. Solche hat der Gesetzgeber vor allem in der ungestörten sexuellen Entwicklung Jugendlicher gesehen – obwohl ein schädlicher Einfluss der Pornographie auch hier nicht erwiesen ist, ferner in dem Interesse des Einzelnen, nicht ungewollt mit Pornographie konfrontiert zu werden (vgl. Schönke/Schröder, § 184 Anm. 1), wobei die Grundsätze der Rechtsprechung betreffend die Wirkungsvermutung pornographischer Inhalte auch für gewalthaltige Inhalte gelten.
Dies bedeutet, dass die Gremien der Bundesprüfstelle so lange von einer Gefährdungsvermutung ausgehen können, so lange die Vermutung nicht durch einschlägige wissenschaftliche Erkenntnisse wiederlegt worden ist.
Eine solche Widerlegungsvermutung gibt es in der einschlägigen wissenschaftlichen Forschung nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass bestimmte Inhalte eine verrohende Wirkung haben. Beispielhaft kann auf folgende Ergebnisse verwiesen werden:
„Nach dem jetzigen Stand der Auswertungen können noch keine endgültigen Schlussfolgerungen gezogen werden und die Frage nach den Wirkungen ist noch nicht eindeutig zu beantworten. Doch zeichnen sich bei den bisher vorliegenden Ergebnissen einige Trends ab, die Aufmerksamkeit verdienen und die bereits wichtige Hinweise auf potentielle Wirkmechanismen geben können.
Die bisher vorliegenden Befunde belegen gleichzeitig sowohl unmittelbare als auch langfristig wirksam werdende Effekte des Spielens mit aggressionshaltigen Videospielen. Als wichtigster unmittelbarer Effekt konnte in zwei voneinander unabhängigen Maßen eine Einschränkung der empathischen Reaktionen auf die Darstellungen von Leid und Not bei Tieren und Menschen nachgewiesen werden. Kinder, die zuvor mit dem Street-Fighter-Spiel gespielt hatten, zeigten beim Anschauen der emotional belastenden Bilder weniger Anzeichen von Mitgefühl und betrachteten diese Bilder länger als die Kinder, die zuvor mit dem Joshi-Spiel konfrontiert waren.
Langfristig kann diese Herabsetzung der empathischen Reagibilität zu einer emotionalen Abstumpfung führen, die einen wesentlichen Hemmmechanismus für das Aggressionsmotiv schwächt. Aus den dargestellten Befunden ist eine solche langfristige Wirkung des Umgangs mit aggressionshaltigen Videospielen ableitbar.
Es scheint, als würde durch das Spielen mit aggressiven Videospielen die dispositionelle Sensitivität gegenüber emotionalen Zuständen anderer herabgesetzt. Die Kinder, deren Mitgefühl für andere gering ausgeprägt ist, haben nach eigenen Angaben bereits viel Erfahrung mit Videospielen, insbesondere mit solchen Spielen, deren Spielinhalt von aggressionsspezifischer Thematik ist. Gleichzeitig ist bei diesen Kindern der sprachliche Umgang mit Begriffen körperlicher Auseinandersetzung erleichtert. In ihren Phantasiegeschichten berichten sie häufiger als andere Kinder über Streit in Form physischer Aggression, und zwar unabhängig von der Art des unmittelbar zuvor gespielten Spiels.
Allerdings gibt es auch eine Teilgruppe von Kindern, die ein hohes Aggressionsniveau aufweist und viel Erfahrung mit aggressiven Videospielen hat, die trotzdem empathisch auf die emotional belastenden Bilder reagieren. Diese empathische Reaktion ist allerdings nur zu beobachten, wenn sie zuvor mit dem Joshi-Spiel gespielt haben.
Was die emotionale Reagibilität dieser Kinder gegen den langfristigen Einfluss häufigen Spielens mit aggressionshaltigen Videospielen immunisiert, ist anhand der Daten unserer Untersuchung bisher nicht auszumachen. Hier ist weitere Forschung nötig, die die Einflüsse der familiären und schulischen Umwelt und der Beziehung zu Gleichaltrigen mitberücksichtigt.“
(vgl. Rita Steckel und Clemens Trudewind „Aggression in Videospielen: Gibt es Auswirkungen auf die Spieler?“ in: Handbuch Medien: Computerspiele Theorie, Forschung, Praxis, herausgegeben von Jürgen Fritz und Wolfgang Fehr, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn).
Unabhängig von den bisherigen Ergebnissen zur Wirkungsforschung, die, wie es einmal Professor Groebel in einem Aufsatz zusammen gefasst hat, im Prinzip belegen, dass es mehr Hinweise dahingehend gibt, dass mediale Gewaltdarstellungen eher schädlich denn nützlich sind, sind auch die Gremien der Bundesprüfstelle der Auffassung, dass nicht generell jede Art von Gewaltdarstellung als verrohend einzustufen ist. Es muss an dieser Stelle zwar noch einmal betont werden, wenngleich dieses auch in der Wirkungsforschung hinreichend bekannt ist, dass nicht die Medien allein verantwortlich sind für eine bestimmte Aggressionsbereitschaft unter Jugendlichen. Hinzukommen müssen eine Vielzahl weiterer Faktoren, deren Aufzählung hier im Einzelnen ausgespart werden soll.
Ebenso sind die Gremien der Bundesprüfstelle nicht der Auffassung, wie unter Umständen gemeinhin vertreten werden könnte, dass Computerspiele ohnehin „süchtig“ machen oder ähnliches. Dies ist ohnehin kein Tatbestand, der unter das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften zu subsumieren ist.
Vielfach wird in diesem Zusammenhang Herr Professor Fritz zitiert, der in einer neueren Untersuchung zu dem Ergebnis kommt, dass bestimmte Computerspiele durchaus auch positive Wirkungen haben können, was von den Gremien der Bundesprüfstelle nicht negiert wird. Ein Auszug dieser Ergebnisse wird im Einzelnen wie folgt dargestellt:
„Durch Aufforderungsreize und Spielhandlung rückt immer stärker ein wesentlicher Faktor der Computerspiele ins Blickfeld: Leistung, Erfolg und Spielkontrolle. Die sekundären Spielhandlungen dienen genau diesem Ziel. Verwoben mit den Motivstrukturen des Spielers entwickelt sich daraus der primäre Spielreiz: Erfolg zu haben, zu siegen, das Gefühl der Kompetenz zu genießen. Dies ist unmittelbar an die Kontrolle des Spiels gebunden. Das Spiel entwickelt seine Spannung und Dynamik aus der (offenen). Frage ob es mir gelingt, durch meine Spielhandlung das Spiel unter meine Kontrolle zu bringen. Neben dem primären Spielreiz gibt es bei zahlreichen Spielern auch sozial-emotionale Spielreize: Geselligkeit; mit anderen Spaß haben und lachen können; Gefühle spüren und sie in der Gemeinschaft zeigen dürfen. Diese Spielreize ordnen sich zum einen den primären Spielreizen unter (auch die Spielgemeinschaft wünscht sich Spielerfolg), zum anderen können sie die Einseitigkeit des primären Spielreizes ein wenig relativieren (z.B. durch die Situationskomik beim Spielen).
Kann der Spieler trotz Bemühen die mit dem primären Spielreiz verbundenen Ziele nicht erreichen, gelingt es ihm also nicht, das Spiel zu kontrollieren, kommt es zu negativ-emotionalen Spielfolgen: Versagensgefühle, Frustration, Wut, Disstress, aggressive Impulse. Dies kann zum Spielabbruch führen oder zur Bereitschaft, die sekundären Spielhandlungen zu intensivieren. Größeres Maß an Konzentration und Anstrengung, Entwicklung der Fähigkeit, Stress zu ertragen und Zunahme der Misserfolgsresistenz könnten mögliche Folgen sein. Kommt der Spieler mit dem Spiel klar, gelingt es ihm, Kontrolle über das Spiel auszuüben und ausreichend Spielerfolge zu erlangen, ist mit positiv-emotionalen Spielfolgen zu rechnen: Erfolgsgefühle, Spaß, Erlebnis der Kompetenz. Zu den Folgen gehört auch, dass der Spielreiz steigt und das Spiel fortgesetzt wird – es sei denn, dass vom Spiel keine Herausforderung mehr ausgeht. Die Steigerung des Spielreizes verbindet sich in der Regel mit einer Intensivierung der sekundären Spielhandlungen: Die Spieler verschmelzen mit dem Spiel, sie gehen auf in die Spieltätigkeit (`Flow`), haben Schwierigkeiten aufzuhören und `vergessen` die Zeit. Die Sogwirkung des Computerspiels kann durch zwei Teil-Funktionskreise entstehen: durch die `Frustrations-Spirale` und die `Flow-Spirale`. Bei der `Frustrations-Spirale` führen negativ-emotionale Spielfolgen dazu, dass die (nicht erlangten). Spielreize immer begehrlicher werden und den Spieler `zwingen`, immer mehr Zeit und Konzentrationskraft in das Spiel zu ´investieren`. Die `Flow-Spirale` schöpft aus den positiv-emotionalen Spielfolgen die Erwartung, dass diese `Lust` sich immer wieder herstellen lässt. Von daher bleibt der Spieler in der für ihn befriedigenden Spielaktivität. Er steigert die Intensität der sekundären Spielhandlungen durch noch größere Konzentration, um auch schwierige Levels des Spiels `in den Griff` zu kriegen und im Flow zu bleiben. Im konkreten Spielgeschehen verbinden sich beide Teil-Funktionskreise miteinander und bilden dadurch die entscheidende `Energiequelle` für die Spielmotivation. Mal befindet sich der Spieler in der `Frustrations-Spirale`, mal in der `Flow-Spirale`. Das Überwinden der `Frustrations-Spirale` führt unmittelbar in die `Flow-Spirale`, und die `Flow-Spirale` birgt das unmittelbare Risiko in sich, in die `Frustrations-Spirale` zu geraten, wenn es nicht mehr gelingt, die Spielforderungen zu erfüllen (durch Nachlassen der Konzentrationskraft oder durch einen schwierigen Level). Dieser `Zwei-Wege-Generator` liefert die motivationale `Energie` für das Computerspielen. Er ist es, der die `Erwartung `der Spieler und das `Entgegenkommen` des Spiels in spielerische Aktivität verwandelt. Die emotionale Wirkung der Computerspiele erwächst aus ihrer Fähigkeit, auf diese Weise Lebenszeit und Lebensenergie von Menschen zu binden.“
(vgl. Jürgen Fritz, Langeweile, Stress und Flow, Gefühle beim Computerspiel in: Handbuch Medien Computerspiele, a.a.O.).
Diese Ergebnisse lassen jedoch umgekehrt nicht den Schluss zu, dass jeder Inhalt eines Computerspiels, unabhängig davon, ob das Computerspiel einen gewissen Flow ermöglicht oder nicht, von vornherein keine jugendgefährdenden Wirkungen ausüben kann. Bestimmte Inhalte werden nach wie vor als möglicherweise jugendgefährdend eingestuft. Wörtlich wird dazu ausgeführt:
„Wo also liegt das Problem des Jugendmedienschutzes, der Gefährdungseinschätzung und Indizierung von Computerspielen? Und wie könnte man es lösen? Die Wirkungsforschung kann zur Legitimierung der staatlichen Eingriffe wenig beitragen: zu inkonsistent und relativierend präsentieren sich ihre Ergebnisse. Jugendliche nutzen die virtuellen Welten in ihrem Sinne, und sie können sehr wohl zwischen der virtuellen und der realen Welt unterscheiden. Vielleicht wenden sie sich der virtuellen Welt gerade deshalb zu, weil sie wissen, wie schmerzhaft die reale Welt in ihrer verdeckten Gewaltorientierung sein kann. Jugendliche haben ihre eigenen Bewertungsmuster für reale und für virtuelle Gewalt, die ihrer Lebenssituation angemessen sind und die viel deutlicher als bei älteren Erwachsenen zwischen beiden Welten trennen. Während sie im Hinblick auf die reale Welt den moralischen Normen im Grundsatz nicht widersprechen, beharren sie darauf, dass sie sich im Computerspiel in einem `wertfreien Raum` befinden, der anderen Prinzipien als denen der realen Welt folgt. Insofern sehen sie diese Welt `realistischer` als viele Erwachsene. In der Tat: Die virtuelle Welt ist eine eigene Welt.
Wenn dem so ist, und die Entwicklungslinien dieser virtuellen Welten machen es nach jedem ´Innovationssprung` deutlicher denn je, dann müssen die Menschen, die diese Welten schaffen, auch die Normen festlegen, die in diesen Welten Gültigkeit haben sollen. In dieser Festlegung unterliegen die `Spielemacher` dem demokratischen Grundkonsens ebenso wie Jugendschützer. Diese urteilen `nach moralischen Kriterien`, und das muss so sein. Wichtig ist allerdings, dass nicht persönliche Grundhaltungen zum Maß der Beurteilung werden, sondern dass man sich auf die Grundwerte bezieht, die das Grundgesetz als Grundkonsens vorgibt. Empathie als die grundlegende emotionale Fähigkeit für moralische Entscheidungen kann ein `Grenzpfeiler` sein für das Maß an Gewalt, das Kindern und Jugendlichen in der virtuellen Welt zugemutet werden darf. Wie könnte das im Hinblick auf eine Indizierung möglicherweise aussehen?
Brutale, ungehemmte, menschenverachtende und –vernichtende Gewalt als einzig mögliche Spielhandlung überschreitet eindeutig die Grenze dessen, was Kindern und Jugendlichen zugemutet werden darf – unabhängig davon, ob eine solche Gewaltdarstellung schädigende Wirkungen hat oder sozialethisch desorientierend wirken kann. Dies gilt insbesondere, wenn die Gewalthandlungen des Spielers aus der Perspektive der `subjektiven` Kamera erfolgen und Waffengebrauch jeglicher Art einschließen. Eine solche virtuelle Welt stünde in einem eklatanten Widerspruch zum menschlichen Gebot der Empathie.
Eine Befrachtung der Spieloberfläche mit rassendiskriminierender oder frauenverachtender Ideologie, unabhängig davon wie sie im Einzelfall gemeint ist oder wirkt, verschärft die Eigenart der Computerspiele, die empathischen Gefühlen der Spieler zu vermindern, so erheblich, dass ein unüberbrückbarer Widerspruch zu wichtigen moralischen Werten unserer Gesellschaft entsteht.
Schwieriger wird die Entscheidung bei Spielen, die sich der Thematik `Krieg` zuwenden. Virtuelle Kriege zu führen, hat ´naturgemäß` wenig mit Empathie zu tun. Der Blick vom `Feldherrenhügel`, auf die `strategische Karte` oder aus dem Cockpit eines Kampfflugzeuges erfasst nicht das menschliche Leid, das in der realen Welt mit Krieg verbunden ist. Wird durch die eingegrenzte Perspektive der virtuelle Krieg bereits `verharmlost` oder `verherrlicht`? Werden virtuelle Kriege problematischer, je näher sie an reale Ereignisse der jüngsten Vergangenheit rücken und daher als Simulation einer historischen Gegebenheit erscheinen können? Um ein `Nein` zu `Kriegsspielen` moralisch zu rechtfertigen, müssen die `Kriegshandlungen` auf der Spieloberfläche in einer speziellen Weise ideologisch oder emotional befrachtet werden, so dass sich ein nicht zu übersehender Widerspruch zu empathischen Einstellungen auftut. Beispielsweise müsste der virtuelle Krieg, der sich durch entsprechende Spielhandlungen auch realisiert, als ein witziges Unternehmen erscheinen, bei dem man sich prächtig unterhalten kann.
Das Problem ist nicht, dass Gewalt in der virtuellen Welt `verharmlost` oder `verherrlicht` werden könnte, sondern als das angemessene und notwendige Mittel erscheint, Macht und Kontrolle über das Spiel zu erlangen. Dabei treten Erscheinungsformen der Gewalt auf, die ästhetisch akzeptiert sind und die es nahe legen, sich von empathischen Gefühlen zu dispensieren. Dies liegt jedoch in der Struktur der Computerspiele begründet, die allesamt auf Macht, Kontrolle und Herrschaft ausgelegt sind und deren Ziel (in der realen Welt). es ist, ´umsatzstark` verkauft zu werden, d.h. ein möglichst breites Publikum zu finden.
Gleichwohl sollten Normen formuliert und durchgesetzt werden, die im Umgang mit virtuellen Welten deutliche Grenzen markieren. Spieloberflächen, die in eklatantem Widerspruch stehen zu empathischen Verhalten, setzen Sozialisationsimpulse, die unter moralischen Gesichtspunkten nicht zu billigen sind. Die Notwendigkeit, deutlicher als bisher die Normen- und Wertefrage bei virtuellen Welten zu stellen, erwächst auch aus der ungebremsten Weiterentwicklung dieser Welten und ihrer zunehmenden Nutzung durch Kinder, Jugendliche und Erwachsene.“
(vgl. Jürgen Fritz, Wolfgang Fehr: „Aggression, Gewalt und Krieg in Computerspielen“ in: Handbuch Medien: Computerspiele, a.a.O).
Abschließend ist festzustellen, dass Beeinflussungen durch Computerspiele nicht von vornherein zu verneinen sind. So kann insgesamt wie folgt zusammengefasst werden: „Das Verschwimmen von Grenzen zwischen den Welten könnte dazu führen, dass der Transfer zwischen den Welten unkontrolliert zunimmt, dass Gedanken, Gefühle, Wünsche, Informationen, Kenntnisse, Werthaltungen allzu rasch zwischen den Welten hin und her fließen (vgl. Heike Esser, Tanja Witting a.a.O).
Im Einklang mit diesen Erkenntnissen der Wirkungsforschung hat das Zwölfergremium der Bundesprüfstelle deutliche Unterschiede zwischen jenen Spielen gesehen, die in den vergangenen Jahren als jugendgefährdend eingestuft worden sind und zwischen dem Spiel „Counter Strike“. In „Counter Strike“ geht es vorrangig darum, taktische Ziele im Team zu erreichen. Diejenigen, die „Counter Strike“ spielen wollen, schließen sich in Teams zusammen und verabreden untereinander eine bestimmte Spielstrategie, um das gegnerische Team zu besiegen. Dabei ist nicht zu leugnen, dass natürlich auch gekämpft werden muss oder kann, aber es ist nicht die simple Ballerei wie in anderen 3D-EGO-Shootern, in denen nonaggressives Verhalten gar nicht ermöglicht wird. Wer in „Counter Strike“ nur auf die auftauchenden Gegner ballert, wird nicht lange im Team bleiben und sehr schnell dazu beitragen, dass das eigene Team auf jeden Fall zu den Verlierern gehört. So stehen eben in „Counter Strike“ auch andere Elemente im Vordergrund, so insbesondere das Kommunizieren mit anderen Menschen über die zu verabredenden Strategien. So kann „Counter Strike“ auch in einer Weise gespielt werden, die keinen einzigen Schuss erforderlich macht, was, und das hat das Zwölfergremium durchaus deutlich gesehen, nicht regelmäßig der Fall sein wird.
Umgekehrt hat das Zwölfergremium der Bundesprüfstelle auch darauf verwiesen, dass basierend auf der Tatsache, dass das GjS von einer Wirkungsvermutung ausgeht, bestimmte Medieninhalte dazu angetan sein können, die Schwelle von Kindern und Jugendlichen gegenüber Gewaltanwendung herabzusetzen. Es hat aber gleichzeitig betont, dass gewalthaltige Inhalte nicht der ausschließliche Grund für solche Wirkungsmechanismen sind, sondern dass andere Faktoren (so z.B. soziales Umfeld oder bestimmte Persönlichkeitsstrukturen der Spielenden). hinzukommen müssen. Keineswegs vermochte das Zwölfergremium der Auffassung zu folgen, dass das Spielen eines ganz bestimmten Spieles dazu führen wird, quasi als Alleinverursacher, die Hemmschwelle gegenüber Gewaltanwendung herabzusetzen.
Das Zwölfergremium hat weiterhin betont, dass nicht die tausenden von Mails und Unterschriftenaktionen, die bei der Bundesprüfstelle eingegangen sind, dazu geführt haben dieses Spiel nicht zu indizieren. Das Zwölfergremium der Bundesprüfstelle entscheidet in jedem Einzelfall sorgfältig über den Inhalt eines Spieles. Es wägt in einem deutlichen Entscheidungsprozess zwischen möglicher Jugendbeeinträchtigung und möglicher Jugendgefährdung ab. Davon ist es unabhängig, ob für oder gegen eine Indizierung mehr oder weniger Zuschriften eingehen.
Die umfangreiche Berichterstattung vor der Sitzung ist sicherlich jedem präsent gewesen. Dennoch hat sich das Zwölfergremium bemüht, im Abwägungsprozess zwischen Jugendbeeinträchtigung und Jugendgefährdung die Entscheidung zu treffen, die es für richtig gehalten hat. Das Zwölfergremium hat mit dieser Entscheidung nicht die Auffassung vertreten, dass das Spiel in die Hände von Kindern und Jugendlichen gehört. Es hat aber deutliche Unterschiede zu anderen indizierten Spielen gesehen und daher die Entscheidung der Nichtindizierung als die richtige angesehen.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen die Entscheidung kann innerhalb eines Monats ab Zustellung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz 1, 50667 Köln, Anfechtungsklage erhoben werden. Die vorherige Einlegung eines Widerspruchs entfällt. Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung. Sie ist gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesprüfstelle zu richten (§§ 20 GjS, 42 VwGO).