1 Einleitung
Da es sich bei Computerspielen und ihren Nutzern, verglichen mit anderen gesellschaftlichen Erscheinungsformen, noch um ein relativ junges Gebiet handelt, ist auch die Forschung in diesem Bereich teilweise noch in einem Anfangsstadium. Am häufigsten wurde dabei die Wirkung von Computerspielen auf ihre Nutzer im Rahmen der Medienwirkungsforschung betrachtet. Allerdings konnte hier bislang kein allgemeiner Konsens gefunden werden (vgl. Gunter 2005). Auch bzgl. der möglichen Wirkung von medialen Gewaltdarstellungen konnte bisher in der Forschung kein eindeutiges Ergebnis erzielt werden (vgl. Kunczik & Zipfel 2004). Die Wirkung von Medien wurde auch aus Sicht der Medienethik schon häufig behandelt bzw. im Rahmen neuer Informations- und Kommunikationstechnologien auch teils von der Informationsethik. Allerdings sind diese keineswegs auf die Betrachtung der Medienwirkung beschränkt. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich deshalb vielmehr mit den Personen, die das Medium Computerspiel nutzen, nämlich den Computerspielern. Die Informationsethik befasst sich im Grunde mit allen denkbaren ethischen Aspekten innerhalb der digitalen Technologien (vgl. Capurro 2004). Computerspieler sind als aktive Teilnehmer in der Informationsgesellschaft ebenso mit derartigen Aspekten konfrontiert wie andere Mitglieder dieser Gesellschaft. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich entsprechend damit, wie Computerspieler mit derartigen Themen, die sich auf Computerspiele beziehen, umgehen. Dabei werden bspw. folgende Punkte aufgegriffen: Medienkritik, Medienkompetenz, Mediennutzung, Jugendschutz bzw. Verantwortung gegenüber Kindern und Jugendlichen, Gewaltdarstellungen in Computerspielen und deren Wahrnehmung sowie Aspekte realer Gewalt, Grundrechte und Verbote, Diskriminierung, Vorurteile (Stereotypen), moralischer Grundkonsens in der Gesellschaft bzw. unterschiedliche Moralvorstellungen, Gegenüberstellung von Gesetz und Moral, Kopierschutz, Privatsphäre, Demokratie, freier Wettbewerb und Kommerzialisierung. Hierbei wird die Frage gestellt, ob sich Computerspieler überhaupt moralisch dazu äußern und falls ja, inwiefern dabei eine Reflexion dieser Aspekte unter Computerspielern zu erkennen ist. Es kann in diesem Zusammenhang nur sehr begrenzt auf bisherige Studien zurückgegriffen werden, da das Thema in dieser Weise bisher kaum behandelt wurde. Vereinzelt kann allerdings besonders auf die Ergebnisse von Jürgen Fritz Bezug genommen werden, welcher sich in seiner Forschung seit etlichen Jahren mit Computerspielern beschäftigt.
Das Thema wurde gewählt, weil Computerspiele und deren Nutzer aktuell in der Öffentlichkeit besonders diskutiert werden, sowohl in der Politik und in den Medien, als auch gesamtgesellschaftlich. Dabei wurde die Betrachtung, trotz globaler Relevanzz.B. in den USA: www.videogamevoters.org

, auf Deutschland eingeschränkt, um entsprechend tiefer auf die hier diskutierten Themen eingehen zu können. Zudem nimmt Deutschland in gewissen Punkten dabei eine Sonderstellung ein, was z.B. die gesetzlichen Bestimmungen im Bereich des Jugendschutzes betrifft. Des Weiteren wurde ein Fokus auf besonders brisante und aktuelle Themen in Deutschland gelegt („Killerspiele“, E‑Sport), womit auch vornehmlich bestimmte Spielertypen unter Betrachtung fallen (Intensivspieler, E‑Sportler - vgl. Kap. 2.3), dies geschah auch, um den Umfang der Arbeit in einem gewissen Rahmen zu halten. Allerdings werden, wie beschrieben auch andere Themen behandelt, sowie an bestimmten Stellen auch andere Spielertypen betrachtet um einen Vergleich herzustellen bzw. Unterschiede herausarbeiten zu können.
Diese Arbeit soll grundlegende Tendenzen aufzeigen inwiefern Computerspieler sich dabei an einer öffentlichen Diskussion in Deutschland beteiligen wollen und können. Dabei wird deutlich werden, dass Computerspieler sich mehrheitlich ausgegrenzt fühlen und es werden Forderungen geltend gemacht, die aus ethischer Sicht an die Ansprüche der Diskursethik erinnern. Da später mehrmals auf die Diskursethik Bezug genommen wird, soll an dieser Stelle noch einmal eine kurze Erläuterung stattfinden. Kuhlen (2004) fasst die Grundzüge der Diskursethik wie folgt zusammen:
„Diskursethik beruht auf Argumentation. Konflikte sollen nur über Argumente gelöst werden.“ (Kuhlen 2004, S. 56). Dabei gelten wiederum für die moralische Argumentation die Grundsätze, dass nur diejenigen Normen geltend gemacht werden dürfen, die die Zustimmung aller Teilnehmer des Diskurses finden können. Sind entsprechend gültige Normen vorgebracht, müssen außerdem die Ergebnisse und Nebenfolgen, die bei einer voraussichtlich allgemeinen Befolgung daraus resultieren, von allen zwanglos akzeptiert werden können. Dabei wird der universalistische Anspruch geltend gemacht, dass dieses Moralprinzip nicht nur auf einer bestimmten Kultur oder einer bestimmten Epoche basiert. „Universal ist der Anspruch deshalb, weil alle von einem Konflikt Betroffenen vom Prinzip her als Freie und Gleiche teilnehmen und weil gelten soll, dass nur die besseren Argumente schließlich zum Konsens beitragen, den alle tragen können.“ (Kuhlen 2004, S. 56). Dabei geht es allerdings nicht darum, wer seine Individualinteressen mittels überlegener Argumentation gegenüber den anderen Individuen durchsetzt, sondern die Argumentation wird erst dadurch ethisch legitimiert, „dass das Argument (und damit die Person) des anderen rücksichtsvoll geschont wird. [...] Rechte von Individuen sind nicht durchzusetzen ohne Beachtung des Wohls der Gemeinschaft, der die streitenden Individuen angehören. Daraus leiten sich die grundlegenden Prinzipien der Diskursethik ab, nämlich Gerechtigkeit und Solidarität“ (Kuhlen 2004, S. 57). Somit sind in der Diskursethik gleichmäßige Achtung und gleiche Rechte für jeden Einzelnen gefordert, sowie Empathie und Fürsorge für das Wohlergehen des Nächsten. Ansonsten kann eine erzielte Zustimmung nicht wahrhaft allgemein sein bzw. ohne Solidarität wird es erst gar nicht zu einer Lösung kommen, die eine allgemeine Zustimmung verdient. Somit müssen die Interessen der Individuen, eingebettet in ihren sozialen Zusammenschluss, gleichmäßig berücksichtigt werden. (vgl. Kuhlen 2004, S. 55-58)
Kritisch betrachtet ließe sich anführen, dass ein solcher Konsens, der von allen gleichermaßen getragen wird, in der Realität kaum zustande kommen mag, da höchstwahrscheinlich nicht alle Beteiligten bei der Durchsetzung ihrer Individualinteressen genügend Rücksicht auf die jeweils anderen nehmen würden.
Dazu muss allerdings gesagt werden, dass sich aufgrund der aktuellen Entwicklung bereits in einigen Bereichen derartig unterschiedliche Moralvorstellungen herausgebildet haben, welche sich nicht mehr auf einer gemeinsamen Basis vereinbaren lassen. Dies wird ebenfalls während der Untersuchung an bestimmten Stellen ersichtlich. Deshalb bietet hier die Diskursethik mit ihrem universalistischen Anspruch die wahrscheinlich beste Möglichkeit, sich trotz dieser Differenzen zumindest an einen gemeinschaftlichen Konsens anzunähern.
Im Hinblick auf einen Diskurs wird deshalb im zweiten Teil der Untersuchung der Frage nachgegangen, ob für die Computerspieler eine Interessensvertretung auszumachen ist, die entsprechend mit anderen Beteiligten in einen Dialog treten kann. Dafür werden bisherige Formen der Interessensvertretung von Computerspielern näher analysiert und es wird betrachtet, wie diese aus Sicht der Spieler wahrgenommen werden bzw. ob sie durch die Spieler legitimiert sind.
Diese Untersuchung soll in diesem jungen Studiengebiet Tendenzen aufzeigen, worauf entsprechend weitere Forschung betrieben werden kann. Mit Hilfe des informationsethischen Ansatzes soll hierbei größere Transparenz in diesem speziellen, bisher kaum beachteten Bereich, geschaffen werden. Dabei wird auf eine qualitative Methode zurückgegriffen, welche praktisch auf reiner Beobachtung innerhalb der Spielerkreise beruht, womit entsprechend unbeeinflusste und natürliche Ergebnisse zu erwarten sind. Allerdings wird weitere Forschung zur Bestätigung der Ergebnisse und für weiterführende Erkenntnisse dringend erforderlich sein. Dennoch verschafft die Untersuchung einen grundlegenden Einblick in einem Bereich den es in Zukunft noch näher zu betrachten gilt.
weiterlesen: 2 Computerspiele und ihre Nutzer
2007 von Oliver Klopfertop
Computerspiele im moralischen Urteil ihrer NutzerHomeImpressumKontakt
Vorwort Kurzfassung Inhalt Abbildungen Abkürzungen 1 Einleitung 2 Computerspiele und ihre Nutzer 3 Empirische Untersuchung 4 Zusammenfassung 5 Fazit und Ausblick Anhang A: Counter-Strike Anhang B: BPJS Entscheidung Quellenverzeichnis Danksagung